Die Unterrichtsstunde

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    Hauptthema des Stücks ist die Sprache, deren Fähigkeit als Macht- und Unterdrückungs-instrument bis zur Beihilfe zum Mord reicht. - Eine Schülerin kommt zum ersten Mal in die Unterrichtsstunde des Professors, der ihre Bildung verbessern soll. In freundlicher, übertriebener Höflichkeit nimmt die Stunde ihren Anfang. Die Schülerin lernt zunächst die Jahreszeiten auswendig, und die Bemerkung des Professors: „Wir dürfen uns auf dieser Welt niemals zu sicher fühlen“, wirkt noch eher als unverbindliche Konversationsfloskel.



    Die Schülerin addiert brav und richtig und verblüfft ihren Lehrer mit ihrem Eingeständnis, alle denkbaren Multiplikations-Ergebnisse auswendig gelernt zu haben, weil sie das Prinzip der Multiplikation nicht begreifen kann. Ebensowenig ist sie in der Lage, das Prinzip der Subtraktion zu verstehen, und der Professor versucht mit zunehmender Ungeduld und Undeutlichkeit, es ihr begreiflich zu machen: „Angenommen Sie hätten zwei Nasen in ihrem Gesicht - Sie hätten zwei Nasen und ich rupfte Ihnen eine aus . . . Wieviele Nasen blieben in Ihrem Gesicht?“ - Im weiteren Verlauf der Unterrichtsstunde - der Professor ist inzwischen zur Vergleichenden Sprachforschung übergewechselt - steigern sich sowohl die Konfusion und Sinnwidrigkeit der Erklärungen des Professors als auch sein autoritäres und aggressives Verhalten.


    Je mehr seine sexuell getönte Mordlust zunimmt, desto mehr verfällt Eigenleben und Widerstandskraft der Schülerin: Tonlos, apathisch und betäubt vor Angst wird sie zum willenlosen Instrument in den Händen ihrer Professors.




    Besessen von der Macht seiner labyrinthisch-abstrusen Rede ersticht der Professor die Schülerin schließlich. Damit nimmt er sie endgültig in seinen Besitz und vernichtet ihre Persönlichkeit und ihre Widerspruchs-fähigkeit: die Unterrichtsstunde ist zu Ende. Als das Dienstmädchen des Professors den Lustmord entdeckt, bemerkt es mißmutig: „Und das schon zum vierzigsten Mal heute! . . . Und so Tag für Tag . . . Immer das gleiche!“ In fürsorglichem Pragmatismus sieht das Dienstmädchen sofort die Notwendigkeit, die Leiche der Schülerin zusammen mit den 39 anderen wegzuschaffen. Um den Professor zu schützen, gibt sie ihm ein beliebiges politisches Abzeichen. Damit werden die Morde als nicht bedenkenswerte Normalfälle etikettiert - „da brauchen Sie nichts mehr zu fürchten. So ist es politisch.“ Die endlose Wiederholung des Geschehens ist damit gesichert. - Entsprechend endet das Stück, wie es begonnen hat: Es klingelt an der Tür, die nächste Schülerin kommt.


    Die Unterrichtsstunde ist für mich DAS absurde Theater. Völlig grotesk, fast schon krank und trotzdem packend. Ich musste es für die Schule lesen. Erst dacht ich: "Och nee... Absurdes Theater. War denn "Warten auf Godot" nicht genug?" und dann als ich es las war ich hellbegeistert.


    Hat jemand von euch dieses Meisterwerk auch schon gelesen? (Falls nicht, es lohnt sich mal reinzuschauen!) Wie findet ihr es?